Musik und Musikleben nach 1900 sind extrem vielfältig und durch eine Kluft zwischen autonomer Tonkunst und volkstümlicher, alltäglicher Musik gekennzeichnet. Die Tonkunst als „Reich des Geistes“ unterliegt einem unbedingten Fortschrittsgebot, was zu extremen Überschneidungen von Stilbereichen führt und letztlich in der Atonalität mündet.
Der letzte große Komponist österreichisch-deutscher Tradition, der um die Jahrhundertwende den Mittelpunkt seines Schaffens in das Sinfonische verlegt, ist Gustav Mahler (1860-1911), dessen Doppeljubiläum wir begehen. Er tritt Beethovens Erbe am souveränsten an, gewinnt der Form der Sinfonie die vielfältigsten Nuancen ab und bereitet mit seinem Spätwerk den Weg für die Zweite Wiener Schule (Schönberg, Berg, Webern) vor, obwohl er selbst die Grenzen der Tonalität nicht verlässt. Parallel erforschen wissenschaftlich interessierte Komponisten (Janáček, Bartók, Orff) die Folklore ihrer Heimat und gewinnen daraus einen neuen Stil. Hochbedeutend ist der Weg, den Russland in der Auseinandersetzung mit der Folklore geht (Strawinsky „russische Periode“).
Weiterhin zählen zur Musik der Jahrhundertwende sowohl die stimmungsmalenden „Tonbilder“ des musikalischen Impressionismus (Debussy seit etwa 1890), als auch solche des Expressionismus (Schönberg, Skrjabin, Webern, Berg, Ives), also der sogenannten Neuen Musik, in der es zur Auflösung der Tonalität kommt.
Obwohl die Vielfalt innerhalb einzelner Gattungen und Stile jegliche Systematik erschwert, werden wir die Spuren der vielen ungleichen Zeitgenossen um 1900 verfolgen und wesentliche kompositorische „Blitzlichter“ dieser spannenden Umbruchzeit betrachten.